INFORMATIONEN ZU SOZIALER PHOBIE
Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.
(Demokrit)
Anzeichen einer Sozialen Phobie
Gefühle der Unsicherheit sind in sozialen Situationen für fast alle Menschen nichts Ungewöhnliches, sondern durchaus bekannt. Die meisten Menschen empfinden Aufregung, wenn sie vor einem Publikum einen Vortrag halten, einen Raum betreten, in dem sich andere Menschen aufhalten, Kontakt mit Autoritätspersonen haben, wichtige Verträge unterzeichnen oder wenn ein Rendezvous mit einer attraktiven Person des anderen Geschlechtes bevorsteht.
Dieses Gefühl gilt allgemein als etwas Normales und wird von einer Angst, die diese Norm in der Regel deutlich überschreitet, unterschieden.
Soziale Phobie hat ihren Namen daher, dass die Angst in „sozialen Leistungssituationen" auftritt. Diese „sozialen Leistungssituationen" können einerseits „typische" Prüfungssituationen betreffen. Andererseits findet sich die soziale Angst aber auch in Situationen wider, in denen Betroffene Schwierigkeiten haben, in der Öffentlichkeit zu essen, zu trinken, vor anderen zu tanzen, zu singen oder sich zu äußern, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen, einen Raum betreten, wenn alle anderen schon Platz genommen haben, vor anderen telefonieren, oder sich in einer Gruppe zu Wort melden. Damit verbunden ist zumeist die Angst, von anderen Personen beobachtet und negativ bewertet zu werden.
Die Ängste äußern sich zumeist einerseits auf der körperlichen Ebene (Zittern, Erröten, Schwitzen, Unwohlsein, Mundtrockenheit, Harn- oder Stuhldrang), andererseits auf der gedanklichen Ebene („Ich werde kein Wort herausbringen", "Alle werden mich auslachen"), auf der Gefühlsebene (Ängste, Sorgen) und auf der Verhaltensebene (Vermeidungsverhalten wie das Meiden von bestimmten Situationen oder Blickkontakt).
Die Unterscheidung zwischen einer „normalen" Schüchternheit (z.B. vor Prüfungen, Lampenfieber) und der Sozialen Phobie ist nicht einfach, da der Übergang ein fließender ist. Von einer Erkrankung kann erst dann gesprochen werden, wenn soziale Situationen häufig gemieden werden, und der Betroffene erheblich unter der Situation und /oder seinem Vermeidungsverhalten leidet.
Zu einem chronischen und belastenden Problem für manche Menschen werden diese Ängste zumeist dann, wenn sie aufgrund ihrer Intensität als störend empfunden werden, und auch in ganz alltäglichen Situationen auftreten und somit das Sozialverhalten der Betroffenen erschwert und beeinträchtigt wird, und im Extremfall das ganze Leben massiv eingeschränkt wird.
Häufigkeit
In der Gesamtbevölkerung kann von einer Prävalenz von etwa 2 % bei sozialen Phobien ausgegangen werden (vgl. Pfingsten, 1996). Unter den Angststörungen macht die Sozialphobie etwa 8-12% aus.
Beide Geschlechter sind etwa gleich häufig betroffen. Die Erkrankung beginnt meist in der Jugend.
Komorbidität
Personen mit sozialen Ängsten sind häufig auch durch eine Reihe anderer Störungen beeinträchtigt, z.B. Depressionen, andere Angststörungen, Essstörungen und als Folge zeigt sich oft Alkohol-, Medikamenten- und/oder Drogenmissbrauch.
Stangier, Heidenreich & Peitz (2003, S. 18) führen an, dass bei ca. 81 % der Betroffenen zusätzliche psychische Erkrankungen wie Angststörungen (56,9 %), affektive Störungen (41,4 %) und Substanzabhängigkeiten (39,6 %) (Missbrauch von Alkohol und Medikamenten) auftreten. Als weitere komorbide Erkrankungen finden sich psychosomatische Beschwerden und Zwänge.
Soziale Folgen der Erkrankung
Soziale Phobien führen nicht sofort nach dem Auftreten zu massiven Beeinträchtigungen, sondern werden zumeist lange Zeit kompensiert.
In den meisten Fällen erfolgen Einschränkungen des alltäglichen Lebensvollzugs, die die Betroffenen nicht mehr alleine kompensieren können, erst nach mehreren Jahren. Daraus erklärt sich auch, dass eine Therapie Schätzungen zufolge erst mit durchschnittlich 27-37 Jahren begonnen (vgl. Pfingsten, 1996).
Die Motivation in Therapie zu gehen entsteht zumeist infolge von Unzufriedenheit im sozialen Alltag, bei der Arbeit oder in der Schule.
Beeinträchtigungen durch diese Erkrankung finden sich vor allem im Beruf bzw. Ausbildung sowie in Partnerbeziehungen (vgl. Wittchen et al., 2000). Viele Patienten berichten, dass Ängste bereits in der Kindheit und Jugend aufgetreten sind, und dass soziale Situationen bei ihnen Anspannung hervorgerufen haben.
Entstehung der Sozialen Phobie
In vielen Theorien wird angenommen, dass Angst durch eine oder mehrere unangenehme Erlebnisse entsteht und durch andere soziale Situationen generalisiert wird.
Auch werden Defizite im Repertoire sozialer Kompetenzen aufgrund ungünstiger Sozialisationsprozesse (wie Mangel an Erfahrung, mangelnde soziale Fertigkeiten der Eltern oder Veränderungen in der Lebenssituation) als Ursachen für Soziale Ängste angenommen.
Als zentrale Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Sozialen Phobien stehen eine erhöhte Selbstaufmerksamkeit und so genannte Sicherheitsverhaltensweisen („safety behaviors") im Vordergrund und halten die Erkrankung aufrecht.
Die Forschung zu neurobiologische Theorien, welche die neuroanatomische Grundlagen für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Gefahrenreizen untersuchen (Zusammenspiel von Amygdala, Hippokampus und Septum) stehen erst am Beginn.
Behandlung / Psychotherapie
Die Soziale Phobie wird auch „verborgene Krankheit" genannt.
Viele Betroffene scheuen den Weg in die Psychotherapie. Daher ist der erste zumeist auch wichtigste Schritt, nämlich dann, wenn ein Betroffener sich zu einer Psychotherapie entschließt, denn dabei wird das Muster der Vermeidung sozialer Situationen, in denen er möglicherweise negativ bewertet werden könnte, durchbrochen.
Zu Beginn der Therapie sollte eine genaue Analyse jener Bedingungen, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung der sozialen Angst verantwortlich sein können, durchgeführt werden.
Anhand dieser Analyse der Bedingungen wird ein individueller Therapieplan, der je nach Problemlage eher angst-/phobieorientiert (Angstbewältigung, Expositions- bzw. Konfrontationsverfahren oder eher defizit-orientiert (Training sozialer Fertigkeiten, Rollenspiele, Videoaufnahme) ist, erstellt.
Die Erfolgsraten in der Verhaltenstherapie liegen zwischen 60 und 80 %.