INFORMATIONEN ZU GEWALT AN KINDERN UND JUGENDLICHEN
Es ist mit der Liebe wie mit den Pflanzen: Wer Liebe ernten will, muss Liebe säen.
(Jeremias Gotthelf)
Der Begriff „Gewalt" an Kindern und Jugendlichen fasst alle nicht zufälligen, bewussten oder unbewussten gewaltsamen körperliche und seelische Schädigungen und genauso eine Unterlassung von Hilfeleistung, die zu Verletzungen und zu Entwicklungshemmungen oder sogar zum Tod führen, oder die das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigen oder bedrohen, zusammen.
Epidemiologische Daten zu Gewalt an Kindern sind rar. Es gibt einfach eine viel zu hohe Dunkelziffer, die nur erahnt werden kann. In den letzten Jahren stellte sich wiederholt heraus, dass selbst hohe Schätzungen an die wahrscheinlich realen Zahlen nicht herankommen. Untersuchungen bestätigen (!!!), dass in Institutionen etwa 30-40 Prozent der Kinder Gewalterfahrung haben.
Differenzierungen können hinsichtlich des Alters und der Missbrauchsart gemacht werden. So sind Kinder zwischen null und vier Jahren hauptsächlich von Misshandlungen und die Gruppe der 10- bis 16-Jährigen vom sexuellen Missbrauch betroffen.
Was tun im Verdachtsfall?
Selbst für Fachleute kann es eine große Herausforderung sein, Gewalt und Missbrauch zu erkennen und dem Verdacht nachzugehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass eine falsch positive Diagnose einer Kindesmisshandlung dramatische Folgen für die betroffene Familie haben kann, und daher vielfach gezögert wird.
Daher ist ein bewusstes Hinschauen notwendig.
Empfehlungen
Als hilfreiche Empfehlungen für eine professionelle Arbeitsweise im Umgang mit Gewaltopfern und den TäterInnen sind folgende Ausführungen zu sehen:
-
opferzentriert denken und handeln,
- die medizinische Hilfe für das Kind steht im Mittelpunkt,
- sobald wie möglich, psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung hinzuziehen,
- es sollte eine sachliche und anschuldigungsfreie Atmosphäre gepflegt werden,
- dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren.
Dokumentation
Eine ausführliche Dokumentation kann nur von Vorteil sein. Anamnese, Fotos, genaue Beschreibungen von Verletzungen oder „blauen Flecken" (Art, Größe, Farbe, Ausdehnung, Lokalisation und unterschiedliches Alter der Verletzungen), Erfassen von Verletzungshäufigkeit, wenig glaubhafte Gründe für Verletzungen, Verhaltensänderungen während der Untersuchung, familiäre Interaktion vor-, während und nach der Untersuchung, Erklärungen für Verletzungen, versteckte Verletzungen, Zeitpunkt des Aufsuchens der medizinischen Hilfe, häufiges Aufsuchen von Ärzten und Spitälern, u.ä).
Gegebenenfalls sollten Abstriche (Sperma- und DNA-Analysen), Blut- und Harnproben gemacht werden; ebenso wichtig kann die Sicherung von Kleidungsstücken sein.
Abgesehen von den so genannten „Leading edges", welche Stirn, Schläfe, Nase, Kinn, Hüfte, Beckenkamm, Knie, Schienbein, Knöchel, Ellenbogen umfassen, sollten andere Hämatome, die eben selten betroffene Lokalisationen betreffen, als verdächtig eingestuft werden (Intimbereich, Ohren, Gesicht, Hals, Gesäß, Arme -v.a. Streckseiten der Unterarme- und Hände).
Hämatome, die infolge von Misshandlungen entstanden, können oft Hinweise darauf geben, womit die Misshandlung stattfand (z.B. Kleiderhaken, Schlüssel, Gürtelschnalle, usw.).
Verbrühungen stellen die häufigsten Verletzungen bei Unfällen und Misshandlungen dar. Der große Unterschied besteht darin, dass missbrauchsbedingte Verbrühungen häufig durch Eintauchen in heiße Flüssigkeiten geschehen und typische Verbrühungsmuster aufweisen.
Verletzungen der Mundhöhle und der Zähne entstehen häufig durch forciertes Füttern, Besteck oder Schläge.
ACHTUNG !
Ein Fehlen von eindeutigen körperlichen Befunden schließt Gewalt (vor allem sexuellen Missbrauch) NICHT aus!
Bei Gewaltverdacht sollten das Jugendamt bzw. kinder- und jugendpsychiatrische Dienste oder die Kinderschutzgruppe in einem Kinderkrankenhaus kontaktiert werden.